01.03.2013 - 10.03.2013

 

REFLEX - ein räumliches WEST/EAST opus
multimediale installation

im westwerk

 

 

 

Kulturelle Unterschiede können interessant sein, bereichernd, unterhaltsam oder anstrengend. Einige sind unüberbrückbar, einige im Rahmen globaler Entwicklungen in Auflösung begriffen. In seiner Ausstellung im Hamburger Westwerk hinterfragt der in Hamburg lebende und zwischen dort und Indien pendelnde Künstler Arne Lösekann gesellschaftliche und kulturelle Strukturen der beiden Länder. Ausgangspunkt für die multimediale Installation sind persönliche Erfahrungen und Begegnungen eines Pendlers zwischen den Kulturen.

In einer raumgreifenden Installation beschäftigt sich Arne Lösekann mit der dramatischen Beschleunigung beim Verweben von Lebenskonzepten im Zuge der globalen Entwicklung von  Lebensräumen. Die Arbeit ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Leben als Pendler zwischen Indien und Europa. Was 2005 für ihn als eine Studienreise mit dem Fahrrad vom Himalaya bis an die Südspitze des Subkontinents - also 5500 km quer durch Indien - begann, entwickelte sich in mehr als einem Dutzend Aufenthalten von zusammen genommen fast 3 Jahren zu einer intensiven kulturellen, emotionalen, familiären und gesellschaftlichen Situation.

Religion/Glaube, Familie/neue Beziehungskonstrukte, Genderrollen, Übergänge von Öffentlichem und Privatem, traditionelle Strukturen im Sog von Konsum, Wegwerfgesellschaft und Wertewandel sind Schwerpunkte der Arbeiten von Arne Lösekann. In „REFLEX“ thematisiert er diese vor dem Hintergrund von kommunikativen und logistischenInfrastrukturen, die weltweit noch nie so effizient und engvernetzt waren wie heutzutage. „Es geht um die Menschen, die diese Vernetzung suchen, nutzen oder in ihr gefangen sind. Es geht um die Spuren, die diese Vernetzungen hinterlassen …. die Träume … um den Stress und die Potentiale ... kurz den täglichen Wahnsinn,“ beschreibt der Künstler den Gegenstand seiner Auseinandersetzung.

Charakteristisch für seine aktuellen Arbeiten bilden geweißte Objekte die Grundlage für die Installation. Es handelt sich um verfremdete Relikte des Lebens aus beiden Ländern, die zusammen mit hinterleuchteten Portraits auf Spiegeln im Raum schweben. Die zur Selbstreflexion einladenden Portraits entstanden bei Zufallsbegegnungen in beiden Ländern. Sie spiegeln einen Schnitt durch unterschiedliche Schichten, Kasten, Religionen und Altersklassen wider. Durch wechselnde Projektionen werden die Objekte be- und durchleuchtet und durch die Überlagerung mit O-Tönen erweitern sich die Momentaufnahmen zu farbintensiven, emphatischen Stimmungen. Die Projektionen sind Loops. Sie treffen in der Tradition der Fülle und Überlagerung des Massalas auf die Abstraktion und Reduktion der Objekte. Sie spiegeln die Komplexität, Widersprüchlichkeit und Energie wider, die in der Verwebung von kulturell unterschiedlich geprägten Lebenskonzepten liegt.

Gezeigt werden Sequenzen des kulturellen, rituellen aber vor allem täglichen Lebens, welche das Zusammenleben prägen und zum Teil andere befremden oder gar verstören. Der Loop der Videos spielt auch auf den heufig zyklisch organisierten Alltag vieler Menschen auf beiden kontinenten an, jedoch ohne wirkliche schnittmengen.  Der Loop, das Mantra, die Wiederholung als Beschwörung, Festigung und Huldigung trifft auf die Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten, Systeme zu hinterfragen und sich selbst wichtig zu nehmen – oder auch eben nicht.

Arne Lösekann zeigt Demut, tiefe Gläubigkeit und Altershörigkeit in der Begegnung mit Atheismus, Narzissmus und Kapitalismus. Als Wanderer zwischen den Kulturen lernte er, viele zunächst befremdliche Handlungen und Sichtweisen einzuordnen, indem er die Codes zur Entschlüsselung sukzessive erworben hat. Doch das Verstehen und Akzeptieren stößt an Grenzen, wenn es die eigenen Grundwerte berührt, das eigene Verständnis von persönlicher Freiheit, Gerechtigkeit und Respekt. Diese Grenzen innerhalb eines kulturellen Dialogs sind ein wesentliches Thema von „REFLEX“. Viele Fragen bleiben für den Künstler unbeantwortet: Sind es Mantras des Beruhigens oder geht es um wirkliche Erleuchtung? Steht Ehrlichkeit der Doppelmoral im Weg? Oder umgekehrt? Leben oder akzeptieren wir Parallelgesellschaften? Handelt es sich um komplexe Netzwerke oder einfach nur um Chaos? Schauen wir wirklich über den Tellerrand oder rühren wir nur immer weiter um, damit nichts anbrennt?

fotos: arne lösekann

Aus diesen Erfahrungen heraus formuliert Arne Lösekann eine dichte Fülle von Geschichten, in die man eintaucht, nicht ohne sie zu berühren und berührt zu werden. Der Besucher wird durch sein eigenes Schattenspiel und seine Reflexion zum zeitweiligen Bestandteil der multimedialen Szenerie.

foto: thomas eigel